www.taktklar.de - 18.01.2020
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Autor: Hannah Frie (E-Mail: hf@taktklar.de)


  3. Basisübungen am Boden – Was junge Pferde lernen können Teil 2

Wenn ein Jungpferd das Führen, Anhalten, ruhige Stehen, Antreten und Wenden gelernt hat, ist es natürlich Geschmackssache, welche Übungen man weiter als wichtig erachtet. Wir möchten Ihnen zunächst noch das Rückwärtsrichten und die Vorhandwendung vom Boden aus vorstellen.

5. Das Rückwärtsrichten:

o Ziel: Das Pferd soll lernen, gleichmäßig und ohne Widerwillen einige Schritte rückwärts zu gehen. Das Rückwärtsrichten ist eine wichtige Alltags-Übung, die zum Beispiel das Abladen vom Pferdeanhänger enorm erleichtert.
Methode 1: Mensch und Pferd gemeinsam im Rückwärtsgang.
o Position des Menschen: Wiederum gibt es verschiedene Methoden, ein Pferd rückwärts zu richten. Methode 1: Vielleicht klappt es bei einem sensiblen Vierbeiner schon, wenn Sie sich selbst etwa auf Kopf-/Schulterhöhe (des Pferdes) neben das Pferd stellen (Blickrichtung wie das Pferd nach vorn), selbst rückwärts gehen und dabei betont abwechselnd die rechte und linke Schulter nach hinten ziehen – Sie machen dem Pferd die Bewegung somit quasi vor. Zudem kann die Gerte vor den Pferdekopf gehalten werden. Am besten üben Sie diese Art des Rückwärtsrichtens auf dem Hufschlag, um anfangs die seitliche Begrenzung des Zaunes/der
Methode 2: Der Zeigefinger drückt kurz auf die Pferdebrust.
Bande zu nutzen. Methode 2: Für den täglichen Gebrauch (etwa zum Abladen vom Hänger) und für etwas ruhigere Pferde ist eine andere Form dieser Übung sinnvoll, die Sie aber zuerst wieder auf dem Hufschlag mit seitlicher Zaunbegrenzung üben sollten. Hierbei stehen Sie mit Blickrichtung zum Schweif etwa auf Kopf-/Schulterhöhe des Pferdes. Mit der einen Hand halten Sie den verkürzten Führstrick, mit dem Zeigefinger der anderen Hand ‚pieken’ Sie kurz und sofort wieder nachlassend ein Mal oder im Bedarfsfall auch mehrere Male in die Pferdebrust. Wichtig: Üben Sie keinen zähen Dauerdruck aus, denn dann drückt das Pferd bloß mit seinem Körpergewicht dagegen und geht wahrscheinlich nur sehr schwerfällig – wenn überhaupt – rückwärts. Nach einigen Malen genügt es vielleicht schon, wenn Sie nur mit dem Zeigefinger auf die Brust weisen, damit das Pferd zurücktritt. Zusätzlich kann nun das Stimmkommando für Zurück (etwa „Zuu-rück“) eingeführt werden. Außerdem ist es möglich, dem Pferd anschließend beizubringen, auf Berührung der Gerte an den Vorderbeinen, das jeweilige Bein zurückzunehmen, was zum Beispiel im Trailpacours praktisch ist.
o Mögliche Probleme: Rückwärtsrichten ist eine Dominanzübung, die ein aggressives Pferd zu Abwehrreaktionen provozieren könnte. Also: Vorsicht! Übertreiben Sie die Übung auch bei anderen Pferden nicht -  wenn das Pferd das Prinzip verstanden hat, wird das Rückwärtsrichten zukünftig immer abrufbereit sein.

Zwei Phasen bei der Vorhandwendung an der Hand.

6. Seitliches Weichen nach Art der Vorhandwendung

o Ziel: Das Pferd sollte ohne Hektik auf Touchierung mit der Gerte hin mit der Hinterhand einige Schritte um die Vorhand treten.
o Position des Menschen: Zunächst muss sichergestellt sein, dass das Pferd keinerlei Berührungsängste mit der Gerte hat und sich ruhig abstreichen lässt. Bei dieser Übung stellen Sie sich auf Kopf-/Schulterhöhe des Pferdes mit Blickrichtung zum Schweif, halten den Führstrick/die Führkette mit der einen und die Gerte mit der anderen Hand. Zupfen Sie nun leicht an der verkürzten Kette oder am verkürzten Strick, so dass Ihr Pferd ein wenig zu Ihnen hin gestellt ist. Streichen Sie nun mit der Gerte über die Hinterhand und tippen Sie Ihr Pferd dann dort vorsichtig mit der Gerte an. Wenn Ihr Pferd einen Schritt zur Seite getreten ist, dann loben Sie es sofort ausführlich – es hat das Prinzip verstanden. Nun können Sie es erneut einen oder mehrere Schritte rumgehen lassen. Zusätzlich kann ein Stimmkommando, etwa „Rum“, eingesetzt werden.
o Mögliche Probleme: Wenn ihr Pferd nicht rumtreten will, dann können Sie versuchen, es stärker per Strick oder Kette in ihre Richtung zu stellen. Außerdem können Sie einen Helfer bitten, Ihr Pferd zu halten, während Sie – ähnlich wie beim Rumtreten lassen am Anbindebalken – mit dem Finger seitlich an die Flanke/Kruppe tippen oder pieken. Andere Pferde flüchten unter Umständen vor der Gerte und führen diese Übung nur noch hektisch aus. Um dem vorzubeugen, sollte man diese Übung nicht zu oft und zu intensiv üben. Es geht nicht darum, dass das Jungpferd eine perfekte Vorhandwendung hinlegt. Wichtig ist, dass es das Prinzip des seitlichen Weichens verstanden hat. Wenn Ihr Pferd die Übung nur noch hektisch ausführt, sollten Sie ein paar Tage mit dem Üben aussetzen, es dann erneut nur mit der Gerte abstreichen und danach lediglich einen Schritt rumtreten lassen.

Nun ist Ihr Jungpferd schon recht angenehm zu händeln und es bieten sich weitere Übungen an. Hier einige Ideen:
o Um einem einseitigen und steifen Pferd (aber auch Menschen!) vorzubeugen, sollten Sie Ihr Pferd auch von rechts aufhaltern, führen, anhalten, wenden usw. Anfangs könnte Ihr Pferd ängstlich und verwirrt darauf reagieren, lassen Sie ihm und sich Zeit, die ungewohnte Situation immer mal wieder zu trainieren.
o Wenn sich das Pferd im Schritt gut führen lässt, dann können Sie es auch im Trab/Tölt (je nachdem, was das Pferd anbietet) führen. Vielleicht nehmen Sie anfangs wieder einen Helfer hinzu, der mit der Gerte seitlich versetzt hinter dem Pferd herläuft.
Scheutraining. Wichtig: So stehen, dass das Pferd den Menschen nicht umrennen kann.
o Um das Training abwechslungsreicher zu gestalten, können Sie es nun über oder durch am Boden liegende Stangen führen, es eine Plastikfolie überschreiten lassen und ähnliches. Zudem können Sie ihm immer mal wieder ungewöhnliche Dinge wie Regenschirme, Bälle oder Mülltonnen in der Bahn zeigen und sich daran gewöhnen lassen.
o Haben Sie den Eindruck, Ihr Pferd beim Führen gut unter Kontrolle zu haben und lässt es sich von Planen, Bällen und Co. wenig beeindrucken, so können Sie erste Spaziergänge wagen. Wichtig: Nehmen Sie hierbei am Anfang nicht nur Halfter und Führstrick, sondern besser eine Führkette oder einen Kappzaum. Bei unsicheren Pferden und für die Gewöhnung an den Straßenverkehr ist es sicherer, einen erfahrenen Pferdekumpel mitgehen zu lassen. Vielleicht üben Sie das Verkehrstraining auch gezielt mit einem Helfer, der per Auto oder Fahrrad an Ihnen und Ihrem Pferd vorbeifährt, später auch mal hupt oder klingelt. Diese Spaziergänge sollten zunächst durch ruhige Gebiete führen und eher kurz sein. Nach und nach lässt sich dann der Radius der ‚Ausflüge’ ausweiten. Den meisten jungen Pferden machen diese Spaziergänge viel Spaß und sie werden gut ans spätere Ausreiten herangeführt.

Natürlich können wir in dieser Serie nicht jede Übung vorstellen, die man am Boden machen kann: Das Spektrum an Bodenarbeit ist sehr groß und vielfältig. Wir möchten vor allem Übungen vorstellen, die leicht durchzuführen sind und die grundlegendsten Dinge fürs Pferdeleben beinhalten. Dies gilt auch für das nun folgende Freilaufen. Hierbei ist Folgendes zu beachten:

o Zum Übungsort: Am Anfang sollten Sie für das Freilaufen einen möglichst sicher eingezäunten, nicht zu großen und mit gutem Bodenbelag versehenen Platz wählen – am geeignetesten ist sicher ein Longierzirkel/Round Pen. Falls Sie über ein Reitviereck oder eine Reithalle verfügen, so können Sie auf der Mittellinie eine Begrenzung z.B. mittels Flatterband oder Elektroband ziehen. Allerdings ist die Gefahr bei diesem provisorischen Platz groß, dass Ihnen das Pferd einmal ausbüchst – sei es aufgrund eines Missverständnisses oder sei es, dass das Pferd im Galopp die Kurve nicht gekriegt hat oder ähnliches. Sicherheitshalber können Sie einen Helfer bitten, sich an der Begrenzung aufzuhalten und das Pferd gegebenenfalls vom Zaun zu vertreiben.
o Zum Übungszeitraum: Auch hier gilt, dass Sie das Freilaufen keinesfalls übertreiben sollten! Übungssequenzen zwischen 10 und 20 Minuten sind für ein junges Pferd ausreichend.
o Zur Ausrüstung: Sie selbst sollten sich auch hierbei mit festem Schuhwerk, mit dem Sie gut laufen können, ausstatten. Zudem nehmen Sie eine lange Gerte oder eine Longierpeitsche mit – dies hängt von der Sensibilität Ihres Pferdes ab; mit der Longierpeitsche haben Sie mehr Einflussmöglichkeiten als mit einer Gerte.
o Zum Vorgehen: Zunächst sollten Sie Ihr Pferd etwas im Schritt aufwärmen. Da es anfangs schwierig sein kann, das Pferd im Schritt freilaufen zu lassen, sollten Sie es am Führstrick nehmen und ‚warmführen’. Vielleicht machen Sie vorher einfach ein wenig Bodenarbeit im Schritt. Wenn Sie Ihr Pferd dann im Longierzirkel oder auf dem abgezäunten Reitplatz-Stück freilassen, läuft es – je nach Temperament oder Tagesform – unter Umständen schon von alleine los. Andernfalls fordern Sie es mit der Gerte oder Longierpeitsche zum Loslaufen auf – vielleicht genügt es schon, die Peitsche/Gerte etwas anzuheben, vielleicht müssen Sie auch damit wedeln oder sie etwas zischen lassen. Lassen Sie das Pferd nun in der von ihm gewählten Gangart etwas laufen. Ist das Pferd sehr übermütig, so lassen Sie es sich erst einmal richtig austoben. Während das Pferd läuft, nehmen Sie eine Position in Höhe seiner Hinterhand auf und gehen mit dem Pferd mit. Merken Sie, dass sich Ihr Pferd beruhigt hat, so können Sie versuchen, sein Tempo zu
Vorbereitung zum Abbremsen.
beeinflussen. Um es zu verlangsamen, vom Trab zum Schritt oder zum Halt durchzuparieren, bewegen Sie sich von Ihrer Position in Hinterhandhöhe langsam auf eine Position in Schulter/Kopf-Höhe des Pferd zu. Wie beim Durchparieren bei der Bodenarbeit können Sie dabei Ihre Füße über den Boden schleifen lassen, eine Hand oder eine Hand mit der Gerte heben. Zusätzlich können Sie Ihre Stimme beruhigend verwenden („laaangsaaamer“) oder zum Anhalten das aus der Bodenarbeit bekannte Kommando einsetzen. Probieren Sie aus, wie stark Ihre Hilfen sein müssen, um das
Eine antreibende Position des Menschen hinter dem Pferd.
Pferd etwa vom Trab zum Schritt oder vom Schritt zum Halt durchzuparieren. Um das Tempo des Pferdes zu beschleunigen, nehmen Sie wieder eine Position auf Hinterhandhöhe des Pferdes ein und setzen – je nach Bedarf – zusätzlich ein Schnalzen mit der Stimme, ein Heben der Gerte/Peitsche oder auch ein Zischen mit der Gerte/Peitsche ein. Probieren Sie aus, welches Maß an Hilfen für Ihr Pferd notwendig ist. Und nicht vergessen: Den kleinsten Ansatz zum richtigen Verhalten loben! Um die Richtung zu wechseln und das Pferd auf beiden Händen freilaufen zu lassen, bewegen Sie sich auf Kopfhöhe des Pferdes zu und schneiden ihm mit der Gerte/Peitsche quasi den Weg ab. Erinnern Sie sich an das Wenden vom Menschen weg in der Bodenarbeit: So ähnlich können Sie dem Pferd auch jetzt mit der Gerte und Körpersprache die neue Richtung weisen. Begnügen Sie sich die ersten Male mit einigen Runden auf jeder Hand, wobei das Pferd zunächst nur lernen soll, seine Runden zu laufen, zu beschleunigen und durchzuparieren, anzuhalten und die Richtung zu wechseln. Abschließend führen Sie es im Schritt, bis sich die Atmung wieder beruhigt hat. In den weiteren Übungseinheiten bestimmen Sie nach und nach immer mehr die Gangart und bauen die Stimmkommandos für die einzelnen Gangarten ein, so dass das Pferd schon allein auf Stimme antrabt oder anhält.
o Möglicher Gangsalat beim Freilaufen: Ihr Pferd läuft im taktklaren Schweinepass seine Runden oder zeigt viel ‚Gangsalat’? Lassen Sie es erst einmal seine Runden in den vom ihm angebotenen Gängen drehen bis die Basis-Lektionen sitzen. Nach einigen Übungs-Sequenzen können Sie dann zum Beispiel versuchen, den Schweinepasser mittels Stangen/Cavalettis (mit einer Stange/einem Cavaletti beginnen, dann langsam steigern)  oder durch Laufen über tieferem Boden zum Trab zu animieren. Die Übungen mit Stangen/Cavalettis sind auch für alle anderen jungen Pferden eine gute Gang-Schulung; um eine Überforderung auszuschließen, sollten Sie Ihr Pferd aber nicht Runde um Runde über Stangen/Cavalettis laufen lassen, sondern die Übungsdauer kurz halten. Tut sich Ihr Jungpferd mit dem Galopp sehr schwer bzw. kommt es in dieser Gangart kaum durch die Kurven, so lassen Sie den Galopp zunächst weg und schulen seine Balance in den anderen Gangarten.


Achtung: Unsere Tipps sind zwar sorgfältig erwogen und aus dem eigenen Erfahrungsschatz, dennoch übernehmen wir keine Garantie für deren Richtigkeit und auch hier gilt: Im Zweifel immer fachkundige Hilfe einholen!


 


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