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    Ihre Geschichte für den "Taktklar"-Adventskalender
    [16.12.2017 • Autor: Taktklar Redaktion]



    Die Westfeldener Dorfmusikanten –
    oder:
    Polypha und der tierische Aufstand


    Autorin: Freyja H.

    Vielleicht erinnern sich noch einige Leserinnen und Leser an die kleine, listige Isi-Stute Polypha, die ständig hungrig und stets auf der Suche nach frischem Grün ist? In diesem Jahr möchte ich eine neue Geschichte von ihr und einigen ihrer tierischen Freunde erzählen. So unglaublich alles klingen mag: Es soll sich genau so zugetragen haben – zumindest behaupten das die Dorfbewohner von Westfeldern … Zudem habe ich teilweise die Geschehnisse selbst beobachten können. Und da ich Poly sehr gut kenne, konnte ich mir den Rest zusammenreimen ...

    Als Polypha eines Morgens in ihrem Paddock stand, hörte sie ein fürchterliches Bellen und Jaulen. Mit ihren Ohren ortete sie die Richtung, aus der das Geräusch kam – es ertönte vom Nachbarhof: Dort lief die alte Terrierhündin Leika im kalten Regen umher, während ihre Familie gemütlich in der Küche am Frühstückstisch saß. Eigentlich fürchtete sich Poly etwas vor dem Hund: Leika sah ja aus wie ein Wolf! Dennoch hatte die Stute Mitleid und sprach die alte Hündin an: "Hey, was kläffst Du so, kleiner Wolf?" Leika schaute verwundert und auch ein wenig erfreut. "Meinst Du mich? Ich bin traurig und verzweifelt. Mir tun alle Knochen weh und ich friere, aber ich darf nie in das warme Haus zu meinem Menschen-Rudel ... Und leider habe ich ja nicht so ein plüschiges Pferdefell wie Du." Poly dachte einen Moment nach und sagte: "Das gibt es ja nicht. Deine Menschen haben doch genug Platz im Haus." "Ja", seufzte Leika, "das schon … Als ich klein und niedlich war, durfte ich ja auch rein, aber jetzt mache ich nur noch ‚Dreck` und habe Läuse..."

    In diesem Moment vernahm Poly ein jämmerliches Miauen und Maunzen: Ein kleiner schwarzer Kater mit weißer Brust und grünen Augen schlich heran. Sein Fell sah struppig aus, ihm tränten die Augen und er schniefte. "Was ist denn mit Dir los, kleiner Tiger?", fragte Poly. Und auch Leika blickte auf das Katerchen. "Ich? Ich habe chronischen Katzenschnupfen ... Außerdem maunze ich zu viel … und zerkratze das Sofa … daher bin ich, nun ja, bei meiner Familie rausgeflogen ... und nun suche ich eine neue Bleibe", entgegnete der Kater. "Wie heißt Du denn?", fragte Leika vom Nachbargrundstück her. Misstrauisch blickte der Kater die Hündin an. "Nun ja, eigentlich spreche ich grundsätzlich nicht mit Hunden .. aber, nun gut … Ich heiße Paolo!" Polypha konnte sich ein Wiehern kaum verkneifen. Ein so jämmerlich aussehnender Kater und dann so ein hochtrabender Name ...

    Das tierische Gespräch wurde jäh durch ein aufgeregtes Gegacker und Geflatter unterbrochen: Poly, Leika und Paolo erblickten eine kleine, fast federlose Henne. „Und was hast Du für ein Problem?", wollte Poly sofort wissen. "Ich lege nicht genug Eier und soll geschlachtet werden! Außerdem hocke ich mit gaaanz vielen anderen Hühnern in einem dunklen Stall, wo es überall stinkt und staubig ist. Und die anderen Hühner haben mir viele Federn ausgepickt", rief die Henne aufgeregt. "Name?", fragte Leika. "Luise", entgegnete das Huhn. "Willkommen im Club!", sagte Paolo.

    Poly wäre nicht Poly, wenn sie nicht kurzerhand die Sache sozusagen in ihre Hufe genommen und gegen das tierische Unrecht vorgegangen wäre. Und wenn sie es sich recht überlegte, ging es ihr auch nicht so gut: Nachdem ihr Pferdekumpel verstorben war, fühlte sie sich oft alleine – auch, wenn es einige Nachbarpferde gab. Und dann war da noch diese Sache mit ihren Hufen – angeblich durfte sie deshalb auch nur noch so wenig aufs frische Grün. Daher kam ihr eine tierisch gute Idee: Sie lud alle Tiere in ihren Paddock ein, wo sie die Köpfe zusammensteckten, tuschelten und scheinbar etwas ausheckten ..

    Kurze Zeit später zog die wohl bislang merkwürdigste Truppe vom Hof, die je in der Bauerschaft und im Dorf gesehen worden war: Poly trug Leika auf ihrem Rücken, während Paolo auf Leika saß und ganz oben auf Paolo thronte schließlich Luise. "Aua, bohr mir nicht die Krallen ins Kreuz", zischte Leika zu Paolo. Und Luise gackerte immerzu: "Nicht so schnell!" „Ruhe da oben", rief Poly, "ich muss euch schließlich alle tragen. Jetzt reißt euch mal zusammen. Wir wollen doch was verändern, oder?" Und so stapfte die tierische Gruppe bis ins Dorf Westfeldern hinein und begann dort ohrenbetäubend laut zu wiehern, zu bellen, zu miauen und zu gackern.

    Das ganze Dorf wurde auf den tierischen Lärm aufmerksam und kam zum Kirchplatz, wo sich die tierischen Freunde aufgestellt hatten. "Das gibt es ja nicht. Sind das die Bremer Stadtmusikanten, oder was?", bemerkte ein Mann und verdrehte genervt die Augen. "Die Besetzung stimmt wohl nicht ganz, aber vielleicht haben sie auch alle von Missständen zu berichten?", meinte eine junge Frau. Und als die Dorfbewohner über diese Worte nachdachten, kam ihnen in den Sinn, dass sie schon länger beobachtet hatten, dass die alte Leika nicht ins Warme durfte, dass der kleine Paolo herrenlos zu sein schien und dass der Hühnerbauer alle Hennen in einem dunklen Verschlag hielt und diejenigen sofort schlachtete, die - wie Luise - zu wenig Eier legten. Vielleicht war es das, was die Tiere vermitteln wollten? In einer Zeit, in der vor allem der eigene Nutzen und die Äußerlichkeit im Vordergrund standen, verwiesen diese alten und kranken Tiere darauf, dass sie auch ein Recht darauf hatten, gut behandelt und gemocht zu werden … Und auch Polys Besitzerin kam ins Grübeln ...