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ANDVARI – Ein Juwel, den zunächst niemand haben wollte.
[30.11.2004 • Autor: Harald Schwarz]


Andvari - einen Tag bevor er zu uns kam.
Andvari (Windhauch) ist ein Sohn des Falbhengstes Gáski 915 frá Gullberastöðum. Andvari kam als Fohlen auf eine hochgelegene Alm, um dort groß und kräftig zu werden. Irgendwie wurden Erwartungen in ihn gesetzt, das Erbe seines erfolgreichen Vaters anzutreten. Doch nichts davon trat ein, also wurde er ins Abseits befördert – sprich – er kam auf eine noch höher gelegene Weide. Dort stand er nun, ganz alleine. Er konnte all´ seine Eigenheiten in allen Einzelheiten ausleben und das tat er auch. Als man sich wieder seiner erinnerte, war er inzwischen 4 Jahre alt geworden und noch viel eigenartiger geworden. Der Besitzer konnte so einen eigenartigen Kerl nicht gebrauchen und entschloss, ihn wegzugeben. Er nahm die erstbeste Gelegenheit dazu wahr und verschenkte den jungen Andvari. Was der neue Besitzer damals mit Andvari bekam, lernte er gleich kennen. Ob es nun 4 Männer in 7 Stunden oder 7 Männer in 4 Stunden waren, die sich bemühten, den jungen Andvari in den Anhänger zu bekommen, darüber gibt es die unterschiedlichsten Erzählungen. Den einzigen Zweck, den der geschenkte Andvari damals erfüllen sollte, war, dem neuen Besitzer doch eine Summe einzubringen, denn dessen Interesse war es nur, Andvari in bare Münze umzusetzen – sprich: Ihn zu Geld zu machen.

Und so kam Andvari zu uns. Unsere erste Erfahrung mit dem frisch gekauften Andvari war, dass er am Führstrick genau bis zur Grundgrenze des Hofes ging – und keinen Schritt weiter. Nicht mit gutem Zureden und auch nicht mit irgendwelchen Leckereien. Es nützen weder Karotten noch die besten Leckerlis. Andvari stand wie angewurzelt fest. Nach einer Woche täglicher Übung sprengten wir die Grundgrenze vom Hof. Wir kamen ungefähr 15 Meter weiter. Dort wartete dann das nächste Hindernis in Form einer Ortstafel. Diese Ortstafel verursachte bei Andvari genau so viel Panik wie der Anblick eines Besenstiels. Erst viel später erfuhr ich durch intensive Beobachtungen, dass es unter den Pferdebesitzern sehr viele Menschen gibt, die ihre charakterlichen Mängel durch teilweise sehr aggressives Verhalten den Pferden gegenüber zum Ausdruck bringen. Dreimal dürfen Sie raten, welche Erfahrung der noch junge Andvari damals mit einem Besen- oder Schaufelstiel gemacht hatte, dass er schon alleine durch den Anblick eines solchen Stieles in Panik geriet.

Wegen unserer Isi's kauften wir uns eines Tages eine kleine Landwirtschaft und transportierten unsere Lieblinge dort hin. Innerhalb weniger Wochen haben sie sich in ihrer neuen Umgebung dermaßen verändert, dass wir heute noch überrascht sind, wenn wir uns die Fotos von damals anschauen. Die deutlichste Veränderung passierte bei Andvari. Im Gebäude entwickelte er sich vom „dürren Lolli“ zum kräftigen und ausdrucksstarken Isi. Während dieser Zeit bemerkte ich auch, dass Andvari zu mir eine besondere Beziehung aufbaute. Von da an war Andvari nun mein Isi. Das war insofern ungewöhnlich, da ich der Reiter mit der geringsten Erfahrung von uns allen war. Ich bin ja nicht einmal so etwas wie ein Sonntagsreiter, sondern eher ein FN-Reiter (FN steht dabei nicht für Federation National sondern für Fast-Nie-Reiter). Doch Andvari lehrte mich, wie es geht und ich ließ es mir gerne zeigen. Zum ersten Mal geschah es bei einem größeren Ausritt. Ein Distanzreiter hatte uns angesprochen, als er sah, dass wir mit unseren Isi's ebenfalls über Stock und Stein ritten. Er war umgeben von Springreitern, die es bestenfalls vom Springplatz bis in die Reithalle schafften, doch jeder Schritt weiter schien verpönt zu sein. Der Distanzreiter war also einerseits froh, dass er jemanden fand, der mit ihm gemeinsam ins Gelände ging. Doch in seiner abschätzigen, ja beinahe herablassenden Art erkannten wir, dass er uns mit den Isi's nicht gerade ernst nahm. Als er uns zu Beginn die Distanzstrecke beschrieb, nannte er immer wieder Stellen, wo wir nach dem rechten Weg fragen könnten. Er rechnete scheinbar fest damit, dass wir sein Tempo nicht mitgehen konnten und er uns schon nach wenigen Minuten verlieren würde. Es wurden nicht Minuten sondern Stunden und genau das Gegenteil traf ein. Als wir knapp 3 Stunden unterwegs waren, kamen wir von einem Wald auf eine Lichtung, die in eine schmale und ca. 1,5 km lange Wiese überging. Der Distanzreiter erklärte uns, dass dies hier die bekannte Galoppstrecke sei und dass er am Ende dieser Wiese auf uns warten würde. Er galoppierte los, ich folgte ihm mit Andvari und der Rest folgte mir nach. Ich war mit Andvari etwa 200 Meter weit galoppiert, da passierte unter mir plötzlich was ganz Eigenartiges, der Galopp fühlte sich ganz anders an. Es war so als hätte sich Andvari plötzlich in eine geschmeidige Katze verwandelt. Seine Bewegungen waren auf einmal so weit und so weich. Dabei wurde er immer schneller. Es dauerte nicht lange und wir hatten den Distanzreiter mit seinem Warmblut-Wallach eingeholt. Doch Andvari dachte nicht daran, das Tempo zu reduzieren. Als wir nebeneinander ritten, rief der Distanzreiter zu mir: „Was ist los?“ und ich rief zurück: „Jetzt ist er richtig aufgewärmt, jetzt taugt es ihm!“. An diesem Tag bemerkte ich, dass Andvari mit mir kommunizierte. Für einen Bruchteil einer Sekunde verzögerte er das Tempo, legte beide Ohren zurück und mir kam es so vor, als ob er mich fragen würde, ob er noch schneller galoppieren dürfe. Ich habe ihn nur einmal ganz kurz angetippt und dann ging es erst richtig los. Andvari legte die Galoppstrecke in einem enormen Tempo zurück und ich konnte mich nicht halten vor lauter Lachen, denn als ich am Ende der Strecke zurückblickte, hatte das Warmblut noch ein gutes Drittel der Strecke vor sich. Von dieser Stelle an, führten Andvari und ich die Gruppe an und wäre Andvari ein Hahn gewesen, sein Kamm wäre senkrecht in die Höhe gestanden. Ich glaube, man konnte es auch so und von weiter Ferne sehen, wie stolz er damals war. In diesem Zusammenhang gab es auch noch ein weiteres Schlüsselerlebnis. Von diesem Tag an wurden wir von den Reitern und Reiterinnen aus der Großpferdeszene in unserer gesamten Umgebung stets freundlich gegrüßt.

Andvari – heute.
Inzwischen sind Andvari und ich ein eingespieltes Team. Wir watscheln bei unseren seltenen Ausritten je nach Lust und Laune dahin. Wenn andere Mitreiter dann mit ihren Isi's vom schnellen Tölt in den Galopp wechseln, kommt von Andvari der fragende Blick zu mir zurück, der in etwa so lautet: „Was ist? Soll ich das Tempo auch ein bisserl verstärken?“ Natürlich bekommt er dann von mir das o.k. und wenn die anderen dann mit ihren Isi's im höchtmöglichen Tempo galoppieren, kommt von Andvari der nächste Blick zu mir. Jetzt bedeutet er allerdings: „Achtung! Ich schalte jetzt um auf Pass“ und schon spüre ich im Sattel, genauer gesagt in meiner Hüfte, deutlich die Lateralverschiebung von Andvaris Bewegungsablauf. Wir starten durch und lassen den Rest weit hinter uns.

Seine wahren Qualitäten zeigt Andvari, wenn Anfänger kommen, die noch nie zuvor auf einem Pferd gesessen sind. Mit diesen Anfängern im Sattel geht er so vorsichtig, dass ich auch heute noch immer verwundert zuschaue und es noch immer nicht glauben kann, dass es der selbe Isi ist, der mit mir so ein Tempo geht und der so viel Spaß dabei hat, wenn er richtig gefordert wird.








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