Laxi ließ sich willig anspannen und als er anzog, merkte er, dass der schwere Schlitten sich ganz leicht über den Schnee ziehen ließ. „Das ist ja ungewöhnlich“, dachte er, „ich hatte erwartet, dass der Schlitten gar nicht von der Stelle kommt. Das ist vielleicht der Trick, denn wie sollte der Weihnachtsmann mit seinen ReNtieren in so kurzer Zeit so viele Geschenke auf der ganzen Welt verteilen können! Denn trotz Zeitverschiebung und unterschiedlicher Rituale bleibt ja doch nur ein kleines Zeitfenster zum Verteilen übrig. Nun denn, lassen wir es angehen!“
Kräftig schmiss Laxi sich in das Geschirr, erst einmal im gewohnten Schritt, aber schon nach kurzer Zeit wurde Laxi flotter, ohne das der Weihnachtsmann ihn anspornen musste. Der war ganz gerührt: dieser kleine Kerl zeigte solch einen Einsatzwillen, damit imponierte er ihm doch sehr. Also hatte er sich vorgenommen, Laxi ganz in Ruhe zu lassen und möglichst wenig anzutreiben, denn wichtig war ja, dass alle Geschenke an die Kinder verteilt wurden. Nicht auszudenken, wenn Laxi unterwegs schlapp machen würde, nur weil er sein ReNNtier über-fordern würde!
Der Weihnachtsmann hatte wie immer seine Route genau berechnet, schließlich gab es so etwas wie mannigfache Traditionen zu berücksichtigen. Aber der Vorteil für den Weih-nachtsmann war, dass er seine Pflichten mit den Geschenken an die jeweiligen örtlichen Überbringer abgeben konnte: Teile Deutschlands werden vom Christkind beliefert, Sinter Claas übernimmt die Niederlande, die Hexe Befana liefert in Italien die Geschenke aus, Väterchen Frost ist für die östlichen Regionen zuständig, in Schweden werden die Geschenke durch eine Ziege gebracht und in Spanien sind es die Heiligen drei Könige, die die Kinder beschenken. Obwohl es Weihnachten nur im christlichen Glauben gibt, werden die Kinder in anderen Religionen natürlich auch mit Geschenken bedacht: die Mohammedaner feiern ihr Bajram-Fest oder Eid al fitr, je nach Land und die Juden feiern Chanukah.
Mal wieder musste der Weihnachtsmann feststellen, dass alles Vor- und Nachteile hatte. Die Zeit, die er einsparte, indem er nicht selbst ausliefern musste, konnte er schnell wieder verlieren, wenn die fest vereinbarten Übergabetermine nicht eingehalten wurden. Also musste das timing gut stimmen, denn jeder Überbringer hatte andere Lieferzeiten!
Aber der Weihnachtsmann war ja nicht das erste mal unterwegs, doch machte er sich jedes Jahr die gleichen Gedanken: wenn nun jemand krank geworden war oder den Treffpunkt nicht rechtzeitig erreichen würde? So abwegig war das gar nicht - schließlich wäre er ja ohne sein ReNNtier auch ziemlich aufgeschmissen gewesen. „Es soll wohl alles gut gehen, sonst hätte ich bestimmt in den Nachrichten etwas gehört oder eine eMail bekommen,“ beruhigte sich der Weihnachtsmann. „Außerdem haben wir es bis jetzt immer hinbekommen, zum richtigen Zeitpunkt die Geschenke zu bringen.
In Gedanken ging er noch einmal seine Reiseroute durch: erst ging es durch Europa, anschließend wurden die Geschenke in Australien verteilt, danach ging es wegen der Zeitverschiebung nach Amerika und Kanada und von dort weiter nach Russland. Für Griechenland und Spanien hatte er dann ein wenig Zeit, dort bekamen die Kinder die Geschenke etwas später, aber es war trotzdem eine lange Reise in sehr kurzer Zeit!
Im Dunkeln war die Orientierung für Laxi schwierig, aber der Weihnachtsmann lenkte den Schlitten geschickt durch die skandinavischen Länder. Jedes mal sprang er vom Schlitten, mit den Geschenken durch den Schornstein und in Windeseile war er wieder da. Dann ging es zum nächsten Haus und ehe Laxi sich versah, waren sie auf dem Weg nach Deutschland. Die ersten Geschenke mussten sie selber ausliefern, aber in einigen Gegenden war diese Aufgabe dem Christkind vorbehalten. Das Treffen mit dem Christkind hatte immer in Frankfurt stattge-funden, denn dort gab es einen großen Flugplatz, auf dem die ReNtiere immer gelandet waren. Dieses mal mussten sie den Weg zum Flugplatz über die Straße finden und es dauerte etwas länger, aber es gab ja GPS, das Navigationssystem nicht nur für Isländer.
Das Christkind wartete schon ungeduldig am Rande der Landebahn und suchte den Himmel ab. Nun bekam es einen riesigen Schrecken, wo mochte der Weihnachtsmann bleiben? Wie lange sollte es noch den Himmel absuchen? Am Horizont sah es einen vollbeladenen Schlitten, der ihm bekannt vorkam. Auch meinte es, die Statur des Weihnachtsmannes zu erkennen. Aber was war das für ein zotteliges Wesen und wo waren die ReNtiere? Es war schon ganz verzweifelt. Es hatte zwar nicht so viel zu tun, aber seine Aufgabe war auch wichtig und Pünktlichkeit gehörte zu seine ersten Tugenden. Nie kam es zu spät oder hatte ein Geschenk vergessen, aber der Zulieferer musste auch mitspielen.
Was für eine Überraschung, als der Schlitten näher kam! Es war der Weihnachtsmann und er wollte sofort zu einer Erklärung ansetzen, aber das Christkind winkte ab und fiel ihm ins Wort. „Endlich, lieber Weihnachtsmann, hast Du ein zeitgemäßes Reisetier gefunden - einen Isländer! Wie ich mich freue und wie die Kinder begeistert sein werden. Alle Kinder lieben Pferde und ich liebe Isländer ganz besonders. Welch ein Vergnügen muss es für Dich bedeuten mit diesem schnellen ReNNtier zu reisen. Du hast sicher nur ein Tier dabei, weil es so schnell ist, oder?“ Nun musste das Christkind erst einmal Luft holen. Es war so begeistert und sprudelte wie ein Wasserfall. Nun, da das Christkind eine kurze Pause machte, nutzte der Weihnachtsmann die Chance: „Ich hatte mein altes ReNtier im Sommer verloren und lange versucht, Ersatz zu bekommen, aber mir wurde nur dieses ReNNtier Laxi angeboten. Nicht, dass ich es bereue oder das Angebot schlecht war“, beeilte sich der Weihnachtsmann zu sagen, denn Laxi guckte so komisch. „Mir kam es nur zu Anfang komisch vor, nicht mit meinen alten Gefährten zu fahren, schließlich waren wir so viele Jahre unterwegs.“ Der Weihnachtsmann hörte sich ein wenig traurig an.
Aber das Christkind sprudelte nur so vor Freude: „Sei doch froh“, es kraulte Laxi den Kopf und gab dem Weihnachtsmann einen aufmunternden Stups, „so lernst Du endlich einmal diese besonderen Pferdchen kennen. Die gibt es doch schon so lange bei Euch im Norden, ich verstehe gar nicht, dass Du nicht schon eher umgestellt hast.“ „Ja, aber die Kinder erwarten mich doch mit ReNtieren.“ „Ach was, erstens können die Kinder sich umstellen, denn sie sind ja noch jung, zweitens wissen wir doch, dass die pünktliche Ablieferung der Geschenke für die Kinder wichtig ist und drittens schlafen doch die meisten Kinder oder sind in der Kirche, wenn Du die Geschenke bringst und sehen Euch somit nicht.“ Der Weihnachtsmann musste ihm Recht geben und insgeheim hatte er bereits das gleiche gedacht, aber seine alten Kumpels...
Sie durften keine Zeit mehr verlieren, schnell wurden die Geschenke übergeben, Laxi wurde noch ein letztes mal vom Christkind gekrault und weiter ging es. In Europa gab es schließlich noch andere Länder in denen die Kinder am Heiligen Abend ihre Geschenke bekamen.
Nachdem sie in Luxemburg und Ungarn waren, konnten sie eine Pause einlegen. Der Schlitten war nun nicht mehr so voll beladen und Laxi konnte das Heu sehen, welches der Weihnachtsmann für ihn mitgenommen hatte. Aber in dieser kurzen Pause gab es nur ein bisschen Kraftfutter, das Heu sollte Laxi in der „Mittagspause“ bekommen. Erst mussten sie die Länder beliefern, in denen die Geschenke in der Nacht vom 24. auf den 25. zu den Kindern kommen. Das wären eigentlich England, Frankreich, Island, Norwegen, Kanada, USA und Südamerika, aber Kanada, USA und Südamerika konnten wegen der Zeitverschiebung noch warten, erst einmal war Europa dran.
Auf Island freute sich der Weihnachtsmann besonders, denn wenn man seine Wahl in Island nicht verstand, wo dann? Auch Laxi wurde immer nervöser, als es Richtung Norden ging, schließlich wollte er gerade in Island alles richtig machen. Sicher würden die Kinder gar nicht bemerken, dass der Weihnachtsmann da war. Selbst wenn eines vor Nervosität wach wäre, würde es nur die klappernden Hufe eines Isländers hören, also an nichts besonderes denken. Welche Überraschung dann am nächsten Morgen, wenn die Geschenke doch alle da wären! Reibungslos verlief auch hier die Verteilung der Geschenke, nur der Schnee war etwas höher und der Weihnachtsmann brauchte nicht so hoch auf die Dächer zu klettern.
Auf dem Weg nach Australien trafen sie sich auf dem Petersplatz in Rom mit der Hexe Befana, sie verteilt die Geschenke in Italien. Auch sie bekam zuerst einen Schreck weil der Weihnachtsmann nicht wie gewohnt durch die Luft kam, aber als sie den kleinen Kerl sah, bekam sie doch einen gehörigen Respekt. „Wie kann es sein, dass dieser kleine Zottel Deinen riesigen Schlitten ganz allein pünktlich zu mir bringen konnte? Was haben all die Jahre Deine ReNtiere gemacht? Haben sie vor dem Schlitten geschlafen?“ Die Hexe war ganz verdattert. Der Weihnachtsmann lachte: „Nein, geschlafen haben sie nicht, aber Laxi ist ein starkes, fleißiges und braves ReNNtier, deshalb brauche ich nur noch ihn.“ Schnell wurden auch hier die Geschenke umgeladen, denn es stand noch der afrikanische Kontinent auf dem Programm bevor es nach Australien gehen sollte.
Die Route war gut ausgetüftelt, alles zeitsparend mit möglichst wenig Umwegen. In Afrika war alles recht weitläufig, doch auch das schafften sie. Der Weihnachtsmann munterte Laxi auf: „Wenn wir unsere Geschenke in Australien verteilt haben, machen wir unsere Mittagspause, denn dann ist die Hälfte geschafft.“ Laxi schnaubte zufrieden und zustimmend, denn ein größere Pause mit dem Heu, wie verlockend der Gedanke. Außerdem roch es die ganze Zeit schon so gut...
Während der Mittagspause musste der Weihnachtsmann feststellen, dass dieses eine ReNNtier genau so flott war, wie sonst seine 12 ReNtiere - sie hatten es bereits geschafft, die Hälfte der Geschenke auszuliefern, dem Weihnachtsmann fiel ein Stein vom Herzen. Laxi bekam ein dickes Lob und der Weihnachtsmann versprach eine besondere Futterration und einen langen Erholungsurlaub, denn wenn das Weihnachtsgeschäft erledigt ist, gibt es für den Weihnachtsmann und seine Tiere nicht mehr viel zu tun. Aber dazu musste die Reise erst zu Ende gebracht werden.
Nach einer angemessenen Verschnaufpause scharrte Laxi bereits wieder ungeduldig mit den Hufen, denn er wollte wieder laufen. Es machte ihm so viel Freude und der Schlitten wurde ja auch mit jedem ausgelieferten Geschenk leichter! Nun ging es nach Amerika, von Australien gar nicht so weit. Dort gibt es die Geschenke am 25., aber durch die Zeitverschiebung war Amerika fast als letztes dran. Ein riesiges Land mit vielen Kindern und vielen Geschenken. Aber kein Problem für Laxi, er zog den Schlitten geduldig im flotten Tempo erst durch Süd-, dann durch Mittel- und Nordamerika und zum Schluss nach Kanada, um die Kinder mit Geschenken zu versorgen. Jedes mal war es wieder das selbe Spiel, der Weihnachtsmann kletterte auf das Dach, rutschte durch den Schornstein, tauchte Sekunden später wieder auf und weiter ging die Fahrt.
Der Weihnachtsmann hatte noch zwei Übergabetreffpunkte, einen auf dem Roten Platz in Moskau und den anderen in Madrid vor der Sagrada Familia. In Moskau erwartete sie Väterchen Frost, dem bekamen die Temperaturen ab -30° C besser als den ReNtieren. Für Laxi sind diese Temperaturen natürlich ebenfalls kein Problem, schließlich ist es in Island um diese Jahreszeit auch nicht gerade warm. Er hätte die Geschenke hier auch verteilen können, aber Tradition ist Tradition und der Weihnachtsmann hatte seine Route ja bereits geplant. So blieb alles beim alten, die Geschenke wurden umgeladen und der Weihnachtsmann erklärte währenddessen, warum er nur mit einem Tier gekommen war. Auch Väterchen Frost hatte Respekt vor der Leistung dieses kleinen Tierchens und wünschte ihnen noch ein paar schöne Stunden für den Rest der Reise.
Nun blieb ihnen nur noch das Verteilen der letzten Geschenke in Griechenland und die Übergabe in Spanien, denn in Spanien verteilen die Heiligen drei Könige die Geschenke an die Kinder. Die waren nicht so besonders erstaunt über das neue Zugtier des Weihnachtsmannes, schließlich ritten sie auf Kamelen, da sind Pferde nichts besonderes. Als der Weihnachtsmann auch hier wieder alles erklärt hatte, waren sie genau wie alle anderen Helfer sehr beeindruckt. „Wir könnten Dir auch unsere Kamele anbieten, falls Du noch einmal in Schwierigkeiten gerätst. Kamele sind im Pass auch recht schnell.“ Der Weihnachtsmann lachte und schüttelte den Kopf: „Vielen Dank, mit Laxi bin ich bestens bedient. Er hat meinen Schlitten so wunderbar gezogen, da benötige ich kein anderes Tier.“ Laxi schnaubte zufrieden, als er dieses Kompliment hörte.
Als sie alle Geschenke zu den Kindern gebracht hatten, war Laxi auf der einen Seite stolz und erleichtert alles fristgerecht erledigt zu haben, auf der anderen Seite wurde ihm auch ein we-nig wehmütig. Er hatte sich solch eine Mühe gegeben, aber seine Aufgabe war nun erledigt. Was würde nun aus ihm werden? Wollte der Weihnachtsmann ihn behalten oder würde er ihn wieder verkaufen? Auf dem Rückweg ließ er ein wenig den Kopf hängen.
Der Weihnachtsmann bemerkte an Laxi die Veränderung, er hatte selber die ganze Zeit gegrübelt was aus dem tapferen Kerl werden sollte. Weggeben wollte er ihn nicht, dazu hatte er ihn zu lieb gewonnen, aber behalten? Würde er sich ohne Streit mit den ReNtieren vertragen? Er wusste ja, dass Pferde ihresgleichen brauchen, da war ein ReNtier doch sicher nicht der richtige Spielkamerad. Aber halt, hatte das Christkind nicht gesagt, es gäbe ganz viele von seiner Sorte im Norden? Wie wäre es, wenn er ihm einen Kumpel besorgen würde? Dieser Gedanke beruhigte den Weihnachtsmann und entspannt brummelte er wieder in seinen Bart. Laxi hörte nur etwas von „Kumpel besorgen“ und „dann behalten“ und etwas in dieser Richtung. Aber das Brummeln reichte ihm schon, er hatte verstanden, dass er bleiben durfte und froh wiehernd legte er sich noch ein letztes mal ins Geschirr.